Video documentation of the project in German, by Nina Hein

Werkzeug Wahrnehmung ist ein performativer Spaziergang von Anja Winter, Birgit Binder, Dirk Sorge, Jovana Komnenic und Silja Korn. Die Gruppe setzt sich aus "sehenden" und "visually challenged" Künstlern und Kunstvermittlern zusammen. Der Spaziergang wurde im Rahmen der so genannten Satellitenprojekte der 6. Berlin Biennale durchgeführt.
Ausstellungsbesucher der Biennale wurden eingeladen, an einem Spaziergang teilzunehmen, der durch Gespräche und praktische Aufgaben in die Umgebung des Oranienplatzes in Kreuzberg und zu Werken der Ausstellung führte. Im Zeitraum vom 11.06.2010 bis zum 31.07.2010 wurden insgesamt zehn eineinhalbstündige Spaziergänge mit einem allgemeinen Publikum und Schulkindern der Nürtingen Grundschule mit jeweils zehn bis dreizehn Teilnehmern realisiert.
Circa 45 Schulkinder und vier Klassenlehrerinnen der Nürtingengrundschule, welche Kooperationspartner war, konnten kostenlos am Spaziergang teilnehmen und somit auch die Ausstellung am Oranienplatz besuchen.


Das Projekt wurde im November 2009 von Birgit Auf der Lauer und Anja Bodanowitz am Institut für Kunst im Kontext (UdK Berlin) initiiert und mit Jovana Komnenic weiterentwickelt. Von April bis Juni 2010 arbeitete eine Gruppe bestehend aus Anja Winter, Dirk Sorge, Silja Korn, Birgit und Jovana in der Kreuzberger Umgebung. Im Projektraum in der Dresdner Str. 14 und in den werdenden Ausstellungsräumen der Biennale am Oranienplatz 17, wurde  das Konzept in eine konkrete Spaziergangsform gebracht.

Die Konzeption von Werkzeug Wahrnehmung wurde von zwei Annahmen inspiriert, die das Nicht-Sehen-Können in den Mittelpunkt der Rezeption von visueller Kunst platzieren:

1. Das Nicht-Sehen-Können inkorporiert das Nahebringen – die Vermittlung: Um als eine Person, die "visually challenged" ist, Kunst zu rezipieren, wird ein Kunstwerk aus einer Notwendigkeit heraus, durch Methoden der Versprachlichung oder der Tuchfühlung, fortgesetzt, erweitert und so näher gebracht.

2. Das Nicht-Sehen-Können ist Teil des künstlerischen Schaffens, um es nach Derrida zu formulieren: Jedes Kunstwerk birgt einen Moment des Nicht-Sehen-Könnens, da ein Künstler immer nur das darstellen kann, was nicht zu sehen ist – er „äußert“ was „innen“ liegt.

Die anfänglich zentrale Platzierung des Nicht-Sehen-Könnens in der Rezeption visueller Kunst, entwickelte sich, durch die Anwendung von Methoden aus der ästhetischen Forschung, während der gemeinsamen Arbeit zu einer Entgrenzung der unterschiedlichen Rezeptionen von Alltag und Kunst. Die urbane Umgebung wurde mit ähnlichen Mitteln wie die Werke in der Ausstellung untersucht und kommentiert. Durch die Aufgaben und Übungen, die im Spaziergang als kritisches Werkzeug genutzt wurden, konnten Wahrnehmungsgewohnheiten (z.B. wie man eine Kunstausstellung wahrzunehmen hat, oder wie eine besuchte Umgebung in einer Stadtführung konstruiert wird) und Wirklichkeitsbegriffe innerhalb der Gruppe reflektiert und relativiert werden.

Danke an: Claudia Hummel, Wegbereiterin der Satellitenprojekte und Dozentin am Institut für Kunst im Kontext und Anja Bodanowitz für die Mitarbeit während der Konzeption.

Werkzeug Wahrnehmung wurde vom Projektfonds Kulturelle Bildung Berlin, der Stiftung Brandenburger Tor und der Robert Bosch Stiftung gefördert.



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Werkzeug Wahrnehmung (The Tool Perception)
is a performative walk by Birgit Binder, Anja Winter, Dirk Sorge, Jovana Komnenic and Silja Korn. The group consisted of sighted and visually impaired artists and art educators. The project was part of the so called Satellite Projects of the 6th Berlin Biennale for Contemporary Art. The walk invited Biennale visitors and school children from the Nürtingen primary school to explore together parts of the borough SO36 in Berlin Kreuzberg and art works in the exhibition at Oranienplatz 17. The curator in 2010 was posing the question of how artist construct reality (as opposed to mass media). In Werkzeug Wahrnehmung the idea of reality construction lead back to ones own perception and how it is used to construct an understanding of the city, of art and of other realities.
The group lead eight walks for adults and four walks for children, which each lasted one and a half to two hours. The meeting points were either the studio space of the Satellite Projects or the primary school in Kreuzberg.